P a t e n t g e s e t z
Vom 25.
Mai 1877
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden
Deutscher Kaiser, König von Preußen ec. verordnen im
Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des
Bundesraths und des Reichstags, was folgt:
Erster
Abschnitt.
Patentrecht
§ 1.
Patente werden ertheilt für neue Erfindungen, welche
eine gewerbliche Verwerthung gestatten.
Ausgenommen sind:
1.Erfindungen, deren Verwerthung den Gesetzen oder guten
Sitten zuwiderlaufen würde;
2.Erfindungen von Nahrungs-, Genuss- und Arzneimitteln,
sowie Stoffen, welche auf chemischen Wege hergestellt
werden, soweit die Erfindungen nicht ein bestimmtes
Verfahren zur Herstellung der Gegenstände betreffen.
§ 2.
Eine Erfindung gilt nicht als neu, wenn sie zur Zeit der
auf Grund dieses Gesetzes erfolgten Anmeldung in
öffentlichen Druckschriften bereits derart beschrieben
oder im Inlande bereits so offenkundig benutzt ist, daß
danach die Benutzung durch andere Sachverständige
möglich erscheint.
§ 3.
(1) Auf die Ertheilung des Patentes hat derjenige
Anspruch, welcher die Erfindung zuerst nach Maßgabe
dieses Gesetzes angemeldet hat.
(2) Ein Anspruch des Patentsuchers auf Ertheilung des
Patentes findet nicht statt, wenn der wesentliche Inhalt
seiner Anmeldung den Beschreibungen, Zeichnungen,
Modellen, Geräthschaften oder Einrichtungen eines
Anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne
Einwilligung desselben entnommen, und von dem letzteren
aus diesem Grunde Einspruch erhoben ist.
§ 4
Das Patent hat die Wirkung, daß niemand befugt ist, ohne
Erlaubniß des Patentinhabers den Gegenstand der
Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu
bringen oder feilzuhalten.
Bildet ein Verfahren, eine Maschine oder eine sonstige
Betriebsvorrichtung, ein Werkzeug oder ein sonstiges
Arbeitsgeräth den Gegenstand der Erfindung, so hat das
Patent außerdem die Wirkung, daß niemand befugt ist,
ohne Erlaubniß des Pateninhabers das Verfahren
anzuwenden oder den Gegenstand der Erfindung zu
gebrauchen.
§ 5.
Die Wirkung des Patentes tritt gegen denjenigen nicht
ein, welcher bereits zur Zeit der Anmeldung des
Patentinhabers im Inlande die Erfindung in Benutzung
genommen oder die zur Benutzung erforderlichen
Veranstaltungen getroffen hatte.
Die Wirkung des Patentes tritt ferner insoweit nicht ein,
als die Erfindung nach Bestimmung des Reichskanzlers für
das Heer oder die Flotte oder sonst im Interesse der
öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll. Doch hat der
Patentinhaber in diesem Falle gegenüber dem Reich oder
dem Staat, welcher in seinem besonderen Interesse die
Beschränkung des Patentes beantragt hat, Anspruch auf
angemessene Vergütung, welche in Ermangelung einer
Verständigung im Rechtswege festgesetzt wird.
Auf Einrichtungen an Fahrzeugen, welche nur
vorübergehend in das Inland gelangen, erstreckt sich die
Wirkung des Patentes nicht.
§ 6.
Der Anspruch auf Ertheilung des Patentes und das Recht
aus dem Patente gehen auf die Erben über. Der Anspruch
und das Recht können beschränkt oder unbeschränkt
durch Vertrag oder durch Verfügung von Todeswegen auf
Andere übertragen werden.
§ 7.
Die Dauer des Patentes ist fünfzehn Jahre; der Lauf
dieser Zeit beginnt mit dem auf die Anmeldung der
Erfindung folgenden Tage. Bezweckt eine Erfindung die
Verbesserung einer anderen, zu Gunsten des Patentsuchers
durch ein Patent geschützten Erfindung, so kann dieser
die Ertheilung eines Zusatzpatentes nachsuchen, welches
mit dem Patente für die ältere Erfindung sein Ende
erreicht.
§ 8.
Für jedes Patent ist bei der Ertheilung eine Gebühr von
30 Mark zu entrichten.
Mit Ausnahme der Zusatzpatente (§7) ist außerdem für
jedes Patent mit Beginn des zweiten und jeden folgenden
Jahres der Dauer eine Gebühr zu entrichten, welche das
erste Mal 50 Mark beträgt und weiterhin jedes Jahr um 50
Mark steigt.
Einem Patentinhaber, welcher seine Bedürftigkeit
nachweist, können die Gebühren für das erste und
zweite Jahr der Dauer des Patentes bis zum dritten Jahre
gestundet und, wenn das Patent im dritten Jahre erlischt,
erlassen werden.
§ 9.
Das Patent erlischt, wenn der Patentinhaber auf dasselbe
verzichtet, oder wenn die Gebühren nicht spätestens
drei Monate nach der Fälligkeit gezahlt werden.
§ 10.
Das Patent wird für nichtig erklärt, wenn sich ergiebt:
1.daß die Erfindung nach §§1 und 2 nicht patentfähig
war,
2.daß der wesentliche Inhalt der Anmeldung den
Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Geräthschaften
oder Einrichtungen eines Anderen oder einem von diesem
angewendeten Verfahren ohne Einwilligung desselben
entnommen war.
§ 11.
Das Patent kann nach Ablauf von drei Jahren
zurückgenommen werden:
1.wenn der Patentinhaber es unterlässt, im Inlande die
Erfindung in angemessenem Umfange zur Ausführung zu
bringen, oder doch Alles zu thun, was erforderlich ist,
um diese Ausführung zu sichern;
2. wenn im öffentlichen Interesse die Ertheilung der
Erlaubniß zur Benutzung der Erfindung an Andere geboten
erscheint, der Patentinhaber aber gleichwohl sich
weigert, die Erlaubniß gegen angemessene Vergütung und
genügende Sicherstellung zu ertheilen.
§ 12.
Wer nicht im Inlande wohnt, kann den Anspruch auf die
Ertheilung eines Patentes und die Rechte aus dem
letzteren nur geltend machen, wenn er im Inlande einen
Vertreter bestellt hat. Der letztere ist zur Vertretung
in dem nach Maßgabe dieses Gesetzes stattfindenden
Verfahren, sowie in den das Patent betreffenden
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten befugt. Für die in
solchen Rechtsstreitigkeiten gegen den Patentinhaber
anzustellenden Klagen ist das Gericht zuständig, in
dessen Bezirk der Vertreter seinen Wohnsitz hat, in
Ermangelung eines solchen das Gericht, in dessen Bezirk
das Patentamt seinen Sitz hat.
Zweiter
Abschnitt.
Patentamt.
§ 13.
Die Ertheilung, die Erklärung der Nichtigkeit
und die Zurücknahme der Patente erfolgt durch das
Patentamt.
Das Patentamt hat seinen Sitz in Berlin. Es besteht aus
mindestens drei ständigen Mitgliedern, einschließlich
des Vorsitzenden, und aus nicht ständigen Mitgliedern.
Die Mitglieder werden vom Kaiser, die übrigen Beamten
vom Reichskanzler ernannt. Die Ernennung der ständigen
Mitglieder erfolgt auf Vorschlag des Bundesraths, und
zwar, wenn sie im Reichs- oder Staatsdienste ein Amt
bekleiden, auf die Dauer dieses Amtes, anderen Falls auf
Lebenszeit; die Ernennung der nicht ständigen Mitglieder
erfolgt auf fünf Jahre. Von den ständigen Mitgliedern
müssen mindestens drei die Befähigung zum Richteramte
oder zum höheren Verwaltungsdienste besitzen, die nicht
ständigen Mitglieder müssen in einem Zweige der Technik
sachverständig sein. Auf die nicht ständigen Mitglieder
finden die Bestimmungen in § 16 des Gesetzes, betreffend
die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März
1873 keine Anwendung
§ 14.
Das Patentamt besteht aus mehreren Abtheilungen.
Dieselben werden im voraus auf mindestens ein Jahr
gebildet. Ein Mitglied kann mehreren Abtheilungen
angehören.
Die Beschlussfähigkeit der Abtheilungen ist, wenn es
sich um die Ertheilung eines Patentes handelt, durch die
Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern bedingt,
unter welchen sich zwei nicht ständige Mitglieder
befinden müssen.
Für die Entscheidungen über die Erklärung der
Nichtigkeit und über die Zurücknahme von Patenten wird
eine besondere Abtheilung gebildet. Die Entscheidungen
derselben erfolgen in der Besetzung von zwei Mitgliedern,
einschließlich des Vorsitzenden, welche die Befähigung
zum Richteramte oder zum höheren Verwaltungsdienste
besitzen, und drei sonstigen Mitgliedern. Zu anderen
Beschlüssen genügt die Anwesenheit von drei
Mitgliedern.
Die Bestimmungen der Civilprozeßordnung über
Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen finden
entsprechende Anwendung.
Zu den Berathungen können Sachverständige, welche nicht
Mitglieder sind, zugezogen werden; dieselben dürfen an
den Abstimmungen nicht theilnehmen.
§ 15.
Die Beschlüsse und die Entscheidungen der
Abtheilungen erfolgen in Namen des Patentamtes; sie sind
mit Gründen zu versehen, schriftlich auszufertigen und
allen Betheiligten von Amtswegen zuzustellen.
Zustellungen, welche den Lauf von Fristen bedingen,
erfolgen durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes
gegen Empfangsschein. Kann eine Zustellung im Inlande
nicht erfolgen, so wird sie von dem damit beauftragten
Beamten des Patentamtes durch Aufgabe von Post nach
Maßgabe der §§ 161, 175 der Civilprozeßordnung
bewirkt.
Gegen die Beschlüsse des Patentamtes findet die
Beschwerde statt.
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