Patentgesetz von Venedig english translation of the Venetian
Statute on Industrial Brevets, Venice (1474): Im Gesetz(1) vom 19. März 1474
heisst es: Sinn und Zweck des venezianischen Gesetzes ist nicht nur die Förderung des allgemeinen Wohles, sondern auch die Wahrung der Erfinderehre. Zuständig für das Patentwesen in der auf 1474 folgenden Zeit war nicht, wie man aus dem Wortlaut des Gesetzes schließen könnte, das Provveditori di Comun, sondern der Senat. Der Senat übertrug jedoch die Prüfung der Gesuche je nach ihrem Gegenstand einem der Magistrate; Erfindungen, die eine hydraulische Vorrichtung betrafen -wie die meisten damals- wurden z. B. dem Savi sopra le acque (Wasserausschuss) übergeben. Die Bedeutung dieses im
Jahr 1474 erlassenen Gesetzes würde man überschätzen,
wenn man in ihm wie in einen modernen Patentgesetz eine
objektive Rechtsnorm sehen würde, auf Grund derer die
zuständige Behörde jedem ein Patent erteilen muss, der
die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt. Denn das vor
dem Erlass des Gesetzes geübte Gewohnheitsrecht blieb
auch später für die Handhabung des Patentrechts
entscheidend. In den Patentgesuchen wird nicht auf das
Gesetz von 1474 Bezug genommen, und die Patente werden
auch nach 1474 als Privilegien oder Bewilligungen
bezeichnet, d. h. die Patente werden als Vergünstigung
angesehen. Als Beispiel für einen Antrag, das Gesuch von Galileo Galilei aus dem Jahr 1594. Bemerkenswert ist, dass er sich nicht auf das bereits über hundert Jahre alte Gesetz, sondern auf Gewohnheitsrecht beruft: (Übersetzung(2) von Dr.-Ing Theobald aus dem Jahr 1928) Ich, Galileo
Galilei habe ein Werk erfunden, um Wasser zu heben und
Ländereien zu bewässern, und zwar sehr leicht, mit
wenig Unkosten und großem Vorteil, derart, daß bei
einem Antrieb durch nur ein Pferd zwanzig Wasserläufe,
die sich an ihm befinden, vollkommen ununterbrochen
springen werden. Sein Antrag erhält keine Angaben, wie die Erfindung
beschaffen ist. Die drei Prüfer sagen in ihrem Bescheid
unter Eid aus, dass das sie das Bauwerk weder in kleiner
noch in großer Ausführung gesehen haben, und bei ihrer
Empfehlung gehen sie davon aus, dass das Bauwerk so
ausfallen werde, wie er es in seinem Antrag behauptete.
Als Schutzdauer gewährt wurden ihm nur 20 Jahre, auch
blieben die Änderungen und die Anwendung zu einem
anderen Zweck unerwähnt. Als Strafe wurde der Verlust
des nachgemachten Werkes und eine Buße von 300 Dukaten
angeordnet, von der ein Drittel dem Ankläger zufallen
sollte, ein Drittel dem Magistrat, und ein Drittel der
Arsenalkasse. Hier nochmal der Text (5) des Gesetzes von 1474. (Die Übersetzung bei Zulehner weicht etwas ab von der bei Berkenfeld) eine bessere Auflösung hier: (for better
resolution:) |
El Sono in questa
Cita, et anche ala zornada per la grandeza et bonta soa
|
19.
März 1474 In dieser Stadt gibt es und kommen auch dank ihrer Größe und Bedeutung nur zeitweilig aus verschiedenen Orten Personen mit scharfsinnigem Geist, die imstande sind, verschiedene erfinderische Vorrichtungen auszudenken und zu erfinden. Wäre es überdies (weiters) vorgesehen, daß andere, welche die von ihnen (jenen) erfundenen Werke und Vorrichtungen gesehen hätten, diese Werke nicht ausführen (dürften) können, so würden die Personen ihren Geist anstrengen (schärfen) und Dinge erfinden und ausführen, die für unseren Staat von nicht geringer Nützlichkeit und Wohltat wären. Daher wird das Gesetz beantragt, daß jeder, zufolge der Autorität unseres Konsiliums, der in dieser Stadt irgendeine neue und erfinderische in unserem Verwaltungsbereich früher noch nicht ausgeführte Vorrichtung schafft, dieselbe, sobald sie soweit vervollständigt ist und daher benützt und ausgeführt werden kann, dem dafür vorgesehenen Amte unserer Gemeinde zur Kenntnis bringen könne (solle). Es sei sodann jedem anderen (gleichgültig wo) in unserem Gebiete verboten, bis zu einem Zeitraum von zehn Jahren ohne Zustimmung und Lizenz des Autors irgendeine andere Vorrichtung von derselben oder ähnlichen Form (Art) auszuführen. Sollte sie aber trotzdem jemand ausführen, so soll der Erfinder und genannte Autor die Freiheit haben, denselben vor irgendein Amt dieser Stadt zu laden, welches denjenigen, welcher eine solche Vorrichtung ausgeführt hat, veranlassen wird ihm hundert Dukaten zu bezahlen und die Vorrichtung sofort zu vernichten. Es sei weiters unserem Senat nach eigenem Ermessen die Freiheit überlassen, jede dieser (so geschützten) Erfindungen und Instrumente für ihren Bedarf zu nehmen und zu benützen, jedoch unter der Bedingung, daß sie niemand anderer als der Erfinder herstellen darf. Dafür: 116 |
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Quellenangaben
Links und E-Mail
(1) Text aus: Erich
Berkenfeld, "Das älteste Patentgesetz der Welt", GRUR
1949, Nr. 5, Seite 139-142
(Beim Provveditori di Comun handelt es sich um eine im Jahr 1312
entstandene Behörde, die für Straßen und andere öffentliche
Plätze zu sorgen hatte. Fußnote bei Berkenfeld, Seite 140)
(2) Theobald,
"Galilei als Patentanmelder", GRUR 1928, Seite 726-730
Ausführlich mit Fotos des Patentgesuches und der Urkunde in:
Theobald, Ein Venezianisches Patent Galileo Galileis, Beiträge
zur Geschichte der Technik und Industrie, Jahrbuch des Vereins
deutscher Ingenieure, Bd. 17, Berlin 1927, Seite 24-29
(3)
Contarini, venezianisches Patriziergeschlecht, eine der
ältesten und vornehmsten Familien, aus der acht Dogen
hervorgingen, u. a. Domenico Contarini, Doge 1042-70, der Grado
für Venedig gewann und den Bau der Markuskirche veranlaßte.
aus Brockhaus, 19. Aufl.
(4) Giulio Mandich, Venetian
Patents (1450-1550), Journal of the Patent
Office Society (JPOS),
1948,
März, Seite 166-224
(5) Bild, Original Text und
deutsche Übersetzung entnommen aus:
Zur Geschichte des Patentrechtes, von Vors. Rat des Patentamtes
Hofrat Dipl. Ing. Josef Zulehner
in: 60 Jahre Österreichisches Patentamt 1899 - 1959, Verlag des
Österreichischen Patentamtes, Wien, 1959, Seite 193-198
Text geändert: 29.11.2009